Die steuerpolitische Strategie der Europäischen Kommission wurde zuletzt in der Mitteilung vom 23. Mai 2001 mit dem Titel "Steuerpolitik in der Europäischen Union - Prioritäten für die nächsten Jahre", KOM (2001) 260 dargelegt (Informationen hierzu enthalten auch die Pressemitteilung IP/01/737 und die Zusammenstellung häufig gestellter Fragen MEMO/01/193 ).
Mit dieser Mitteilung wurde es zu einer der Hauptprioritäten der EU-Steuerpolitik, sich der Probleme von Privatpersonen und Unternehmen, die im Binnenmarkt tätig sind, anzunehmen. Die Bemühungen sollten sich vor allem auf die Beseitigung der steuerlichen Hindernisse für alle Formen der grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeit und die Fortsetzung der Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs konzentrieren .
Dass der Steuerpflichtige ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückte, entsprach dem allgemeinen Ziel der Kommission, zu gewährleisten, dass die Steuerpolitik die umfassenderen politischen Ziele der EU unterstützt, z. B. das im März 2000 vom Europäischen Rat von Lissabon formulierte Ziel, die Union bis zum Jahre 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen, sowie umwelt- und energiepolitische Ziele. Eine stärkere Koordinierung der Steuerpolitik würde es den Mitgliedstaaten erleichtern, diese Ziele zu erreichen. Seitdem hat die Kommission Vorschläge für ein koordiniertes Vorgehen zur Beseitigung von steuerlichen Hindernissen und Reibungsverlusten in den Bereichen Unternehmensteuern , MwSt , Verbrauchsteuern und Kraftfahrzeugsteuern vorgelegt. Sie hat auch, wie in der Mitteilung angekündigt, in Fällen, in denen die Steuervorschriften oder die Steuerpraxis der Mitgliedstaaten gegen den EG-Vertrag verstoßen, verstärkt rechtliche Schritte eingeleitet .
Da die Kommission der Auffassung ist, dass es bei einer Beibehaltung des Einstimmigkeitsprinzips für sämtliche Entscheidungen im Steuerbereich schwer sein wird, die für Europa notwendige steuerliche Koordinierung zu erreichen, hat sie für bestimmte Bereiche vorgeschlagen, zur Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit überzugehen.
Um im Steuerbereich Fortschritte zu erzielen, ist die Kommission außerdem dazu übergegangen, dort, wo dies angebracht ist, verstärkt auf nichtverbindliche Instrumente wie Empfehlungen zurückzugreifen, anstatt Legislativvorschläge zu unterbreiten. Geprüft werden auch die Möglichkeiten einer verstärkten Zusammenarbeit von Untergruppen gleichgesinnter Mitgliedstaaten.
Die Kommission hat regelmäßig Analysen der Strukturen der Steuersysteme der EU-Mitgliedstaaten veröffentlicht, um sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Öffentlichkeit über die jüngsten Entwicklungen im Steuerbereich in den letzten Jahren zu informieren.
Die Kommission ist auch der Auffassung, dass größere Transparenz und erweiterter Informationsaustausch dazu beitragen können, die Risiken fahrlässigen Handelns im finanziellen und unternehmerischen Bereich einzudämmen. Darüber hinaus sollte eine bessere Abstimmung der politischen Linien in der EU hinsichtlich Steueroasen als Mittel betrachtet werden, diese Länder zu größerer Transparenz und effektivem Informationsaustausch zu bewegen. Link to Parmalat Communication page
Die Beseitigung von Steuerhemmnissen im Bereich der Finanzdienstleistungen
hat insbesondere im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung und der Umsetzung
der Finanzdienstleistungspolitik der Kommission an Bedeutung gewonnen. Beispielsweise
wurde die Sachverständigengruppe für Fragen der Einhaltung der Steuervorschriften
("Fiscal Compliance Group"/ FISCO) auf dem Gebiet von Clearing und
Abrechnung gegründet und trat am 15. April 2005 in Brüssel zu einer
ersten Sitzung zusammen. Sie wird die Kommission über die Beseitigung der
Steuerhemmnisse beim Clearing und bei der Abrechnung von grenzübergreifenden
Wertpapiergeschäften in der EU beraten.
Der EG-Vertrag sieht in seinem Artikel 93 ausdrücklich vor, dass der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses mit einstimmigem Beschluss Maßnahmen zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten im Bereich der indirekten Steuern (im Wesentlichen Umsatzsteuern, Verbrauchsteuern und Zölle ) annimmt, weil indirekte Steuern ein unmittelbares Hindernis für den freien Warenverkehr und die Dienstleistungsfreiheit in einem Binnenmarkt darstellen können. Außerdem können sie auch zu Wettbewerbsverzerrungen führen . In diesem Bereich wurden bereits eine Vielzahl von Richtlinien und Verordnungen (d.h. "sekundäres Gemeinschaftsrecht") auf der Grundlage dieses Artikels beschlossen. Die Rechtssetzungsstrategie der Kommission, vor allem in Bezug auf die Mehrwertsteuer sowie auf Umwelt- und Energiesteuern, wurde klar abgesteckt.
Für die anderen Steuern sieht Artikel 94 EG-Vertrag vor, dass der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses mit einstimmigem Beschluss Maßnahmen zur Angleichung derjenigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten annimmt, die sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken. Einige Empfehlungen und Rechtsvorschriften für die Bereiche persönliche Einkommensteuern, Unternehmensteuern und Steuern auf die Ansammlung von Kapital und auf Geschäfte mit Wertpapieren wurden inzwischen genehmigt. Siehe auch Kfz.-Besteuerung, Kanarische Inseln und "dock dues" in den französischen Überseedepartements.
Die Mitgliedstaaten haben darüber hinaus auf der Grundlage der Artikel 93, 94 bzw. 95 EG-Vertrag auf EU-Ebene gemeinsame Rechtsvorschriften für die Amtshilfe und Zusammenarbeit in Steuerangelegenheiten beschlossen.
Weitere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften wurden auf der Grundlage der allgemeineren Vertragsbestimmungen erlassen:
Unabhängig davon, ob sekundäres Gemeinschaftsrecht wie Richtlinien
oder Verordnungen existieren, müssen die Steuersysteme und Doppelbesteuerungsankommen
der Mitgliedstaaten grundsätzlich die im EG-Vertrag verankerten Grundfreiheiten,
d. h. die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, den freien Dienstleistungs- und
Kapitalverkehr sowie die Niederlassungsfreiheit (Artikel 39, 43, 49 und 56 EG-Vertrag
) und den Nichtdiskriminierungsgrundsatz wahren. Ganz generell verlangt darüber
hinaus Artikel 18 EG-Vertrag, dass jeder Bürger der Union das Recht hat,
sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Das
Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum erweitert den Anwendungsbereich
der Grundfreiheiten des freien Verkehrs von Waren, Personen, Dienstleistungen
und Kapital sowie der Grundsätze gleicher Wettbewerbsbedingungen und der
Nichtdiskriminierung auf natürliche Personen und Unternehmen in den EWR-Staaten
(Island, Liechtenstein und Norwegen). Die sekundären Rechtsvorschriften
der EU sind jedoch in den EWR-Staaten nicht anwendbar.
Auf der informellen Tagung der Wirtschafts- und Finanzminister in Verona im April 1996 wurde von der Kommission ein neues und umfassendes Globalkonzept für den Bereich der direkten Steuern vorgeschlagen. Das Ziel dieses Vorschlags bestand darin sicherzustellen, dass die Steuerpolitik der Mitgliedstaaten stärker auf wichtige Ziele der Union ausgerichtet wird, also z. B. auf die Förderung von Wachstum und Beschäftigung und die Vollendung des Binnenmarktes, während gleichzeitig eine Aushöhlung der Besteuerungsgrundlagen verhindert und gegen schädlichen Steuerwettbewerb vorgegangen wird. Die Kommission vertrat die Auffassung, dass selbst bei Beibehaltung des Einstimmigkeitsprinzips mehr Fortschritte erzielt werden könnten, wenn die weitreichenden Folgen der Nichtannahme der einzelnen Vorschläge stärker bedacht würden . Sie wies darauf hin, dass das wiederholte Ausbleiben von Fortschritten bei der Koordinierung der Steuerpolitik nicht nur wesentlichen Anteil daran hat, dass Verzerrungen im Binnenmarkt bestehen bleiben, sondern darüber hinaus - wenn auch weniger offensichtlich - auch zum Verlust von Arbeitsplätzen beiträgt und sogar Möglichkeiten zur Aushöhlung der Besteuerungsgrundlage schafft.
Dieses Strategiepapier der Kommission leitete eine Phase intensiver Diskussionen zwischen den EU-Mitgliedstaaten ein. Nach mehreren weiteren Papieren der Kommission - vgl. "Die Steuern in der Europäischen Union - Entwicklung der Steuersysteme" ( KOM(1996) 546 ), "Koordinierung der Steuerpolitik in der Europäischen Union - Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs" ( KOM(1997) 495 ) und "Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs in der Europäischen Union" ( KOM(1997) 564 ) einigte sich der Rat im Dezember 1997 auf den Entwurf eines "Steuerpakets" von Maßnahmen zur Bekämpfung schädlichen Steuerwettbewerbs in der EU. Das Steuerpaket umfasste:
In derselben Vereinbarung vom Dezember 1997 verpflichtete sich die Kommission, Leitlinien für die Anwendung der Regeln über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung vorzulegen. Diese Leitlinien wurden am 11. November 1998 angenommen. Ihren bisher letzten Bericht über ihre Tätigkeit im Bereich steuerlicher Beihilfen legte die Kommission am 26. November 2003 vor. Ausführlichere Informationen über steuerliche Beihilfen finden Sie per Mausklick.
Die Finanzminister der EU nahmen das Steuerpaket offiziell auf ihrer Tagung vom 3. Juni 2003 an (vgl. Pressemitteilung IP/03/787 ).